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MS und Schwangerschaft

Werdende Eltern erleben in der Schwangerschaft eine sehr besondere Zeit. Eine Schwangerschaft mit MS gilt nicht als Risikoschwangerschaft. Dennoch kommen häufige Fragen auf: Welchen Einfluss hat MS auf die Schwangerschaft? Was tun, wenn ein akuter Schub auftritt? Sollten Mütter mit MS stillen?

Good News: Schwangerschaft hemmt die Krankheitsaktivität der MS!
Progesteron als Regulator

Hormone haben bekanntlich vielfältige Wirkungen auf den Körper und sein Immunsystem. Die Forschung hat gezeigt, dass auch ein Zusammenhang mit der Krankheitsaktivität von MS besteht. Das Schwangerschaftshormon Progesteron führt nämlich zur Unterdrückung der Autoimmunreaktionen bei MS, indem es die Bildung von regulatorischen T-Zellen verstärkt. Damit stellt die Schwangerschaft eine Art Schutzfaktor vor dem Krankheitsgeschehen der MS dar.

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Der Zusammenhang zeigt sich im MS-Verlauf während und nach der Schwangerschaft. Bei unbehandelten Schwangeren nimmt die Schubrate bis zum letzten Trimenon meist kontinuierlich ab. Mit der Geburt steigt das Schub-Risiko häufig an und sinkt in den Monaten nach der Geburt wieder auf das Niveau von vor der Schwangerschaft. Dies scheint von der Krankheitsaktivität und Behandlung der MS vor und während der Schwangerschaft abzuhängen.

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MS-Schub in der Schwangerschaft

Obwohl eine Schwangerschaft protektiv auf die MS wirkt, kann es währenddessen zur Ausbildung eines akuten Schubes kommen. Die übliche Schubtherapie mit hochdosiertem Kortison kann nach dem ersten Trimenon angewandt werden. Das erste Schwangerschaftsdrittel ist generell die kritischste Phase, in der Nutzen und Risiko einer Medikamentengabe genau abzuwägen sind. Tritt hier ein sehr schwerer MS-Schub auf, kann die Kortisontherapie erwogen werden.

Bei der verlaufsmodifizierenden Therapie der MS sind der Nutzen für die Schwangere und das Risiko für den Fötus miteinander abzuwägen. Daten zeigen, dass die Zahl der Schwangerschaften unter Immuntherapien in den letzten Jahren zunahmen und dabei am häufigsten mit Glatirameracetat oder Interferonen behandelt wurde. Die Familienplanung sollte schon bei der Therapiewahl berücksichtigt werden, weshalb es wichtig ist, Neurologen und Gynäkologen rechtzeitig einzubeziehen.

In der Regel werden die krankheitsmodifizierenden
MS-Medikamente während der Schwangerschaft abgesetzt.

Die Geburt verläuft in der Regel für Mutter und Kind genauso problemlos wie bei Gesunden, denn MS führt nicht zu einer Risikogeburt. Zudem hat die Entbindungsart keine Auswirkungen auf die Krankheitsaktivität, sodass aufgrund von MS kein Kaiserschnitt nötig ist. Entscheiden Sie sich für eine natürliche Geburt, ist auch die Schmerzreduktion mittels Periduralanästhesie (PDA) möglich – sie steht nicht mit dem Schubanstieg nach der Geburt oder Funktionseinschränkungen in Verbindung.

Stillen oder nicht

Das Stillen zeigt grundsätzlich positive Effekte: es stärkt nicht nur die Verbindung zwischen Mutter und Kind, auch das Immunsystem des Neugeborenen wird durch die Muttermilch gestärkt. Doch wie ist das, wenn die Mutter MS – eine Autoimmunerkrankung – hat? Wie schon die Schwangerschaft selbst, wirkt sich auch die Stillperiode günstig auf die Krankheitsaktivität und Schubrate der MS aus. Die positiven Effekte für den Säugling bleiben erhalten.

Die Leitlinie empfiehlt das Stillen für Mütter mit MS. Während der Stillzeit können Schübe mit hochdosiertem Kortison behandelt werden. Die Fortführung oder Wiederaufnahme einer Immuntherapie sollte in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität vor und während der Schwangerschaft bzw. nach der Entbindung immer wieder erwogen werden. Hierfür kommen Glatirameracetat und Interferone in Frage, da sie keine negativen Auswirkungen auf den Säugling zeigen.

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Referenzen:
Engler JB, Kursawe N, Solano ME, et al. Glucocorticoid receptor in T cells mediates protection from autoimmunity in pregnancy. Proc Natl Acad Sci U S A. 2017;114(2):E181-E190. doi:10.1073/pnas.1617115114 Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie (2021): Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica- Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen. 030050_LL_Multiple_Sklerose_2021.pdf (dgn.org), Abruf 09.10.2023